Impulsthema

Das Höchste fordern, das Beste geben, am Weitesten kommen:

Das Impulsthema!

Jede Spielzeit wählen wir ein Impulsthema aus. Es ist die literarische Vorlage, mit der sich unsere Projekte ein Jahr lang beschäftigen. Es ist eine Einladung für unsere Teilnehmenden, eine neue Welt zu betreten und in ihr neue Erfahrungen zu machen.

Wie jeder Raum wird auch der künstlerische durch Seiten, durch Pole definiert. Sie liegen weit auseinander. Zum Beispiel Disziplin und Freiheit; sich scheinbar ausschließend, jedoch unabdingbar notwendig in jeder künstlerischen Arbeit – und im Leben sowieso. Ratio und Intuition, Individuum und Kollektiv, Körper und Geist, Regelbefolgung und Regelbruch – wir alle könnten die Aufzählung von Kontrapunkten in der Kunst im Großen wie im Kleinen sehr lange fortsetzen.

Das Zusammenführen der Pole, ihre Fast-Gleichzeitigkeit macht unsere Sache so besonders, manchmal magisch. Ambitioniert ausgedrückt, schlummert hier die sakrale DNA der Kunst, kommt sie doch kulturhistorisch aus der religiösen Praxis, und die wiederum basiert auf dem Paradox einer wirklichen Unwirklichkeit – oder einer unwirklichen Wirklichkeit. In jedem Fall stellt sie uns ein einzigartiges Arbeitsfeld zur Verfügung, in dem Konträres sich nicht ausschließt, sondern bedingt, in dem Behandelte zu Handelnden werden, in dem die Grenze zwischen Möglichem und Unmöglichem verschwindet.

Es ist hilfreich, mit diesen Polen sehr bewusst umzugehen. Also nicht in der Mitte herumzurühren und eine disziplinierte Freiheit oder eine freie Disziplin zu suchen, sondern sich mit Freiheit und Disziplin an sich zu beschäftigen. Sie suchen und herausarbeiten und davon ausgehen, dass der Funke zwischen den Polen im Menschen selbst überspringt.

An sich stellen die Projekte bereits eine Polarität dar. Arbeitslose/Geflüchtete spielen Theater! Soll das sinnvoll sein? Na klar, betreten sie doch ein Feld, das in der Regel recht weit weg vom bisherigen Erfahrungshorizont liegt. Wenn da nichts Neues passiert, wann dann? Setzen wir uns nicht auch beim Reisen einer völlig unbekannten Umgebung aus, um neue Erfahrungen zu machen?

Statt sie zu vermengen, gehen wir die Ebenen isoliert an. Die biographische, ohne die kein Bewerbungsmanagement auskommt, die künstlerische, die eine spielerische Behauptung ist. Das Impulsthema hilft dabei. Denn was bringt es Geflüchteten, wenn sie ewig die Geschichten von ihrer Flucht oder Arbeitslose, die von ihrer Arbeitslosigkeit berichten. Es entsteht kein Raum. Es entsteht nichts Neues.

Das Impulsthema ist eine Zumutung, wie die Aufforderung, Theater zu spielen an sich schon eine ist. Sie macht gewissermaßen deutlich, worum es geht. Sich auf das völlig Neue, Unbekannte, auf den ersten Blick Fremde einzulassen. Es langsam kennen zu lernen, sich in und mit ihm zu bewegen, später davon zu profitieren, um schließlich fest zu stellen, dass weit weg Gewesenes sehr nah wird und bereichert. Welch Mutmacher für neue Erfahrungen!

Mal abgesehen davon, dass die Beschäftigung mit alten Texten eine Steilvorlage für die Beschäftigung mit unserer Geschichte, mit dem Woher, Warum und Wieso, ist. Für Menschen, die nicht von hier kommen, Einblicke in unsere Kultur ermöglicht, Willkommenskultur im besten Sinne des Wortes. Warum sollen diejenigen, die bislang nicht allzu oft die Gelegenheit hatten, auf das Beste, was unsere Kultur zu bieten hat, verzichten?

Leider gibt es das nicht umsonst. So wie unsere Teilnehmenden sich das – unbekannte – Medium Theater kleinteilig erarbeiten, so bedarf es von unserer Seite Aufwand für das Impulsthema. Es bedeutet Arbeit, lesen, Hintergrundinformationen einholen.

Der Rest ist Neugier. Die Vergangenheit gibt es nicht umsonst. Ohne sie keine Zukunft.